bilder und leben


Sind SIE die lustvolle Frau, wurde ich während der Eröffnung meiner ersten Ausstellung gefragt.
Ja, die bin ich. Immer offen für Neues und Schönes. Eine nie endende Lust. Sie hält mich gesund und macht glücklich.

Ein Bild-Leporello, was ich vor Jahren anfertigte, als ich ein Gestaltungsprogramm für Studenten entwickelte,
zeigt Selbstporträts aus dreißig Jahren. Gezeichnet mit Stift und Tusche, schwarzweiß Fotos aus den Achtzigern
und farbige Aufnahmen der neunziger Jahre.
Es dokumentiert meine Wandlung in diesem wichtigen Lebensabschnitt.
Die Bild-Seiten werden von einem roten Band zusammengehalten.

Der rote Faden oder meine Passion ist es, unentwegt mit offenen Sinnen durch die Welt zu gehen und
in den unbeachteten Dingen deren Zauber zu entdecken.
Licht und Schatten, Spuren von Wetter und Zeit auf Oberflächen. Immer sind es Ausschnitte des Ganzen, die mich anziehen.
Details, in deren Intimität ein Raum besonderer Nähe entsteht.
Hier spüre ich etwas vom Wesen der Dinge. Häufig ist dieses „Nichts“ atemberaubend schön.
Wenn ich meine Entdeckungen mit Menschen teile, bedanken sie sich, weil sie ebenfalls etwas erreicht,
was auch ich gespürt habe. Sie fühlen sich inspiriert und angeregt.

Stünde ich vor der Wahl, eine antike römische Statue oder ein verformtes Stück Eisenblech in meiner Wohnung aufzustellen,
ich würde mich für das rostige Teil entscheiden. Die Skulptur ist ohne Makel. Sie ist vollendet und meisterlich perfekt.
Das Metall ist vom Zufall, von der Zeit und den Elementen bearbeitet.
Dadurch entsteht etwas, was außerhalb unserer Absicht liegt. Es ist anders und zieht mich magisch an.

Die kleinen Wunder und die Schönheit im ganz Alltäglichen genieße ich.
Das kann beim absichtslosen Gehen, auf dem Weg zum Einkauf oder beim Warten an einer Kreuzung sein.
Bevorzugt streife ich durch vergessene Winkel, Ecken und über Brachland.
Verlassene Häuser, verwilderte Gärten, rund um verfallene Fabrikanlagen, alles ist abenteuerlich und spannend ...
ÜBERALL sehe ich eine unendliche Welt von Bildern und kleinen Kostbarkeiten.
Ich fotografiere sie und bewahre somit den besonderen Moment.


Seit dem Grafikstudium in den siebziger Jahren ist immer eine Kamera dabei. Früher eine schwere Analoge,
seit einigen Jahren nur noch die kleine Digitale.
Damals fotografierte ich meine Söhne und selbsterforschend auch mich selbst.
. . . . .

Meine Söhne bekam ich mit Anfang zwanzig im Abstand von zehn Monaten. In dieser Zeit studierte ich Grafik.
Kurz darauf verstarb mein Mann, der Vater der Kinder. Ich arbeitete mehrere Jahre und
begann als die Kinder größer waren nochmals ein Grafikstudium. Wir gingen zu Dritt in eine fremde
Stadt wo wir uns in der Meisterschaft von Improvisation und Lebenskunst vervollkommneten.
Aus Nichts etwas Schönes zu zaubern und mit Kreativiät den verfügbaren Lebensraum zu gestalten,
das machte mich schon damals aus.
Um mir das leisten zu können, was ich am liebsten tue - Gestalten und den eigenen Ideen nachzugehen,
tat ich manches Artfremde, um Geld zum Leben zu verdienen.

Das Kapitel Söhne wird Inhalt künftiger Geschichten sein ...
Zwei begabte schöne Brüder, die trotz des geringen Altersunterschiedes im Wesen absolut unterschiedlich waren.
Ein Vater fehlte immer.
Der jüngere von Beiden war voll schöpferischen Selbstausdrucks. Wo er ging und stand hatte er etwas
in der Hand, dem er eine eigene Form gab. Schon in der Schulzeit schuf er Steinskulpturen, die man
noch heute sehen kann. Nach einem ausgezeichneten Abitur widmete er sich ausschließlich der
Kunst. Er schrieb ein Theaterstück, was zweimal aufgeführt wurde, malte und erlernte das Klavierspiel.
Ein alter Flügel, aus dem Umland mit einem Pferdefuhrwerk herbeigekarrt, stand in seiner Hinterhofwohnung.
Mit lederner Umhängetasche, einem dicken Buch, etwas Unterwäsche zog er los und lebte in den
Bergen Spaniens, wo er Skulpturen schuf. Ich tauschte damals einen kleinen schweinsledernen
Luftkoffer, den ich zur Jugendweihe von meinen Großeltern bekommen hatte, gegen eine besondere
Skulptur von ihm. Dunkel gebeiztes Holz, ein stilisiertes Schiff, auf dem drei Figuren stehen.
Der Majestätische, der Frierende und der Rufer. Unbewusst die Darstellung der inneren Figuren des Erschaffers.
Eine Plastik aus Buntsandstein, die einen Gestürzten zu Füßen von zwei Liebenden darstellt, steht auf einer Insel, wo sich der Weg teilt.
Der Gestürzte scheint vorausgeahnt er selbst. Fünfundzwanzigjährig nahm er sich das Leben.
 
Selbstdarstellung meiner Söhne mit 7 oder 8 Jahren

Vier Wochen nach seinem Tod verließ mein anderer Sohn mit seiner Partnerin Deutschland und ging tausende Kilometer weit fort.
Inzwischen ist er zurückgekehrt, für mich jedoch unerreichbar, weil er „mit mir abgeschlossen hat.“
Ich bin „eine Figur aus seiner Vergangenheit und nie seine Mutter gewesen. Jetzt ist er frei.“
So lauten seine Worte in der letzten schockierenden SMS an mich. Seine Form sich abzulösen.
Eine krasse und völlig unerwartete für mich.
Das zu akzeptieren und gleichzeitig zu fühlen, wie tief wir verbunden sind, bedarf Liebe und Reife.

All das hat mich nicht zerbrochen.
Ich durchlebte es in ganzer Tiefe. In nächtlichen Aufzeichnungen aus dieser Zeit schreibe ich, dass ich solange ich denken kann, allein bin.
Es waren trostlose dunkle Nächte... in denen ich unendlich verzweifelt war und niemand da, um mir Halt zu geben.

Leben ist der einzige Aus-Weg.
Eine reiche innere Welt bewegt mich immer wieder zum Aufstehen und Weitergehen. So viel Schönes gibt es ringsum.
In diese Welt voller Schönheit darf ich jederzeit eintauchen, denn dafür ist sie da.
Nachdem Jahre darüber vergangen sind kann ich den Verlust meines Kindes, der immer ein
Schmerz bleiben wird, auch als Bereicherung in meinem Leben betrachten. Ich habe verloren und gleichzeitig auch viel gewonnen.

Die Lust auf Entdeckung, auf Unbekanntes und Überraschendes macht mein Leben lebenswert.
Ich lebe - und fühle mich vital, gesund und schön. Sowohl die leidvollen als auch die wunderschönen
Erfahrungen haben mich vollständiger gemacht.
Meinen Reichtum habe ich immer bei mir.
Außerdem ist jeder Tag voll von kleinen Glücksmomenten.
. . . . .
In Dankbarkeit für alles was ich bin und habe, komme ich meiner Vision von einem guten leichten Alter immer näher.
Ich arbeite jeden Tag daran und habe mehr und mehr die Mittel, Ideen zu realisieren und mein Potential zu entfalten.
Beste Freunde, die an mich glauben stehen mir dabei zur Seite. Ich lerne immer besser, den Mangel im Denken loszulassen.
Eine Prägung früher Jahre, wie einzementiert so machtvoll und ein langer Weg bis zur Erkenntnis,
dass Mangel nichts mit mir zu tun hat und ich es wert bin in Fülle zu leben

In Krisen gebe ich mich ganz bewusst der Leichtigkeit des Sehens und Entdeckens hin.
Ich entscheide mich immer FÜR Freude und dann begegnet sie mir auch. Gehen und Loslassen ist beglückend,
stärkt mich und verändert meine Stimmung.


Dann ist das staunende Kind in mir unterwegs.
Die Kleine mit blonden Zöpfchen. Ihre Schleifenbänder wurden damals leicht angefeuchtet über der
Stuhllehne glattgezogen. Manchmal trug sie Lederhosen und hochgekrempelte Hemdsärmel aber
auch hübsche Kleider, die von der Mutter mit viel Geschick und Liebe aus Wollresten gefertigt wurden.
Vielfach zusammengeknotet war der Bindfaden an der Peitsche, die so wunderbar knallte und den
Holzkreisel quer um die Schlaglöcher trieb.
Auf den Walnussbaum im Garten klettern, Leute hinter dem Mäuerchen versteckt beobachten, die
frischen sauren Weintriebe an der Laube im Garten naschen, im Herbst ganz früh an nebligen Morgen
das feuchte Laub nach heruntergefallenen Nüssen absuchen … das liebte sie.
Häufig verhielt sie sich aber nicht wie von den Großen gewünscht und musste dann, bis sie wieder
lieb war, in der kleinen Kammer verschwinden. Die Wand an der ihr Bett stand, war mit buntem Stoff
verkleidet. Er hate eine Art Würfelmuster mit schwarzen Punkten darauf. Die Kleine zählte die Punkte und war allein...
Vor einiger Zeit bin ich in Gedanken zu ihr in diesen Raum gegangen. Sie lag auf dem Bett zur Wand
gedreht. Ich habe mich zu ihr gekniet, meine Hand auf ihre Schulter gelegt und gesagt,
Liebe ich bin immer für dich da.
Wir sind gegenseitig für einander da. Sie ist sehr lebendig, kann lange einem Vogel mit Blicken folgen,
seinen Gesang orten, beobachtet wohin die Ameisen verschwinden, hebt alles Mögliche unterwegs
auf und trägt es als Schatz nach Hause.

. . . . .
Selbstliebe, Dankbarkeit und schöpferisches Tun sind heute die Grundbausteine meines erfüllten Lebens.
Menschen reagieren immer wieder erstaunt, wenn ich mit großer Sicherheit das besondere
Einzelne in der Menge entdecke. Das ANDERE sehen ist mein Beruf. Meine Bilder zeigen kleinste
Details, die meist übersehen und doch wert sind, aufbewahrt zu werden. Ich suche sie nicht. Etwas in
mir sieht und ist viel schneller als mein Auge. Ich habe gar keinen Einfluss darauf. Oft frage ich mich
erstaunt, warum mein Blick in einem Sekundenbruchteil exakt in die entscheidende Richtung geht, wo
es etwas Ungewöhnliches zu sehen gibt. Ich liebe es, das Gesehene mit anderen zu teilen.
Manchmal bleibe ich stehen und warte bis jemand kommt. Diese Bilder sprechen etwas anderes als den Intellekt
in uns an. Es ist wunderbar, die Freude zu teilen und meine Form mit Menschen zu kommunizieren.
Dass ich immer wieder aufstehe und neu beginne, dafür bekomme ich Anerkennung. Wenn ich mein
kleines Feigenbäumchen beobachte, gezogen aus einem Zweig, mit den ersten perfekt ausgeformten
Blättern denke ich, die Feige fragt auch nicht, wachse ich heute oder nicht.
Es ist unsere Natur, uns zu entfalten und alle Kraft ins Wachsen zu stecken.

Es sei eine besondere Gabe, die nicht jeder hat... sagte mal jemand.
Ich glaube, diese Lebenskraft steckt in uns allen und ich bin mir ihrer dankbar bewusst.
Es scheint eher eine Frage der persönlichen Entscheidung zu sein - will ich Opfer oder glücklich sein.
Niemand wählt bewusst den Weg des Leidens und doch machen wir für unsere Lebensumstände
meist nur die Gegebenheiten in der Außenwelt verantwortlich.
Sich für ein Leben mit kleinen und großen Glücksmomenten zu entscheiden ist herausfordernd, spannend und lohnend.

Beginne nie aufzuhören und höre nie auf zu beginnen. Dieser Satz eines prominenten Römers begleitet mich immer...


 
All experience arises in the present, does its dance, and disappears. Experience comes into being only tentatively, for a little time in a certain form;
then that form ends and a new form replaces it moment by moment…
Ron Janssen, Lascaux

. . . . . . .


1949 in Dresden geboren

1969-1971 Grafikstudium, Leipzig bei Werner Tübke, Dresden bei Gerhard Kettner

1970 und 1971 Geburt der Söhne und Tod des Ehepartners

1972-1974 Öffentlichkeitsarbeit Staatliche Kunstsammlungen Dresden

1975-1980 Grafikstudium Berlin bei Prof. Werner Klemke, Fotografie bei Roger Melies, Diplomabschluss,

 anschließend Assistenz im Fachbereich Grafik

1982- 2001 freiberufliche und angestellte Tätigkeit für Verlage und Museen, Zeitschrift form+zweck,

                  Henschelverlag, Berliner Verlag, Botanisches Museum Berlin, Haus am Waldsee Berlin                   

Grafik, Layout, Fotografie, Ausstellungs- und Museumsgestaltung

2001-2005 Galerie „Ideenreich“ in Berlin Zehlendorf mit eigenen Arbeiten (Objekte, Fotografie)

2005-2011 Galerie UNIKAT in Dresden mit eigenen Objekten, Fotografie

anschließend bis heute freiberuflich - Fotografie, Buch, Objekt


Beteiligung an Messen wie Buchmesse Leipzig, room&style Dresden

Einzelausstellung März bis August 2018 im Kuchenhaus Langenweißbach

Ausstellungsbeteiligungen Galerie ROTKLEE Putbus/Rügen

Einzelausstellung 2020 „Die Stille in der Krise“ Dresden

2021 "Farben des Unscheinbaren" Stralsund



anfänge
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